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Gehrenspitze - Böldkamin (III+, 370 mH), Solo, Tannheimer Berge 29.11.14
#1
Beim Schmökern durch die Führerliteratur der Tannheimer Berge bin ich irgendwie immer wieder schon am „Böldkamin“ (III+) aus dem Jahre 1904 in der Nordostwand der Gehrenspitze hängen geblieben. In der Literatur wird er als der „der längste Kamin der Tannheimer“ bezeichnet. Bei einer doch vorhandenen Wandhöhe von 370 Meter trifft das wohl auch zu, aber etwas relativieren muss man es schon. Man klettert zwar tatsächlich auf der gesamten Wandhöhe in einer Spalte, doch insbesondere im Mittelteil ist es doch eher eine ausgeprägte, geneigte Schrofenrinne, anstatt einem Kamin und natürlich sind die Schwierigkeiten sehr gering. Zudem ist klassische Kamin-Stemmtechnik mit dem Rücken an der einen Wand und den Füßen an der anderen Wand nur im oberen Teil erforderlich. Nichtsdestotrotz für Liebhaber solcher alpiner Unternehmungen absolut empfehlenswert.

Während die Südwand der Gehrenspitze eher für ihre Genussklassiker und die Nordwestwand eher für große Tannheimer Nordwandanstiege bekannt ist, so führt die Nordostwand der Gehrenspitze doch eher ein Schattendasein und ist sehr unbekannt.

Mein kleiner Solo-Trip durch den „Böldkamin“ startet, wie für eine Überschreitung der Gehrenspitze anzuraten, in Wängle (ca. 850 m). Der Zustieg führt über die Costarieskapelle (1157 m), die Sulztalhütte (1428 m), die Hahlealpe und die Schallerkapelle ins Hahlejoch (ca. 1720 m).

    die Gehrenspitze über der Hahlealpe
    Tiefblick auf Schloss Neuschwanstein
    Gehrenspitze Nordostwand
    Gehrenspitze Nordostwand „Böldkamin“
    Böldkamin oberer Teil
    Blick ins Reintal und die Musauer Alm

Da ich im Vorfeld nicht so genau wusste was mich erwartet und wie viel Schnee der Jahreszeit entsprechend im nordostseitig ausgerichteten Kamin liegt hatte ich auch Steigeisen und ein Eisgerät dabei. Trotz immer wieder vorhandener Schneefelder im Kamingrund war im Endeffekt aber beides unnötig.

    am Einstieg
    im Mittelteil

Von den im Freudig-Führer erwähnten Gerüst Bohrhaken an den Ständen sind mir lediglich vor und nach der Schlüsselseillänge welche aufgefallen. Das soll jetzt nicht unbedingt heißen das sie im unteren Teil nicht (mehr) da sind, denn ich habe beim Soloklettern natürlich auch nicht explizit danach geschaut, aber das mir gar keiner aufgefallen ist, kam mir schon komisch vor. Den einen oder anderen Zwischensicherungs-Normalhaken habe ich allerdings gesehen.
Die Schlüsselseillänge (III+) bietet auf mindestens 40 m klassische Kaminkletterei in einem sehr engen Kamin an sehr gutem wasserzerfressenem Fels.

    Tiefblicke vor der Schlüsselseillänge
    “Böldkamin“ im oberen Teil
    “Böldkamin“ im oberen Teil

Nach gut 45 min habe ich den Ausstieg und wenig später über den Ostgrat auch den Gipfel der Gehrenspitze (2163 m) erreicht.

    Gipfel in Sicht

Da ich noch nie auf der kleinen Gehrenspitze war, bin ich nicht über den Normalweg abgestiegen sondern über den Ostgrat rüber zur Kleinen Gehrenspitze (2120 m). Von dort führte der Abstieg durch die Südrinne. Die Südrinne der Kleine Gehrenspitze weist eine kurze III er Stelle auf und folgt sonst einer sehr markanten steilen Gras und Schrofenrinne.

    Blick von der Gehrenspitze zur Kleinen Gehrenspitze und zum Beginn der Südrinne (roter Pfeil)

    Kleine Gehrenspitze
    Blick in die Südrinne
    Blick zur Gehrenspitze

Nach der Südrinne stieg ich direkt Richtung Gehrenalpe (1611 m) ab und sparte mir den Umweg über das Gehrenjoch.

    Gehrenspitze (links) und Kleine Gehrenspitze (rechts)

Von der Gehrenalpe über Wander- und Forstwege zurück nach Wängle, wo ich 4,5 h nach dem Aufbruch wieder angekommen bin.


Literatur / Kletterführer:
Klettern im Herzen der Tannheimer
Mai 2004
Toni Freudig

Alpenvereinsführer Tannheimer Berge
2. Auflage 1992
Bergverlag Rother
Marcus Lutz



Landkarten:
AV Karte BY5
Tannheimer Berge
1:25000


Viele Grüße
Tobias
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#2
Tannheimer Berge Gehrenspitze Nordostseite Böldkamin (III / 430 Klm) Begehung vom 20.08.2023

Wie kam es zu dieser doch eher selten begangenen Tour?

Unsere Filterfaktoren waren: 
- 4 Kletterer, davon 1 Vorsteiger und 3 Nachsteiger.
- Eine Person mit operiertem Arm, also nur leichtes Klettern für aktive Regeneration ;-)
- Zusätzlich eine Abartiger Hitze von über 30°C im Tal, keine Wolken.
- Keine lange Anfahrt, da nur Tagestour

Findungsphase:
Also Tannheimer Tal Nordseite ist schon mal gut, allerdings gibt es nicht ewig viele einfache Touren. Beim Blättern im Führer stach dann der Böldkamin an der Gehrenspitze Nordostseite heraus. Der längste Kamin in den Tannheimern, nur dritter Grad. Stände mit Gerüstösen ausgestattet. Nach einer kurzen Recherche im Netz fand sich ein Forumsbeitrag von Tobias bei Rocksports, der die Tour damals im November 2014 Solo geklettert hatte. Also waren alle Filterfaktoren erfüllt und das Ziel stand fest!

Facts über die Tour:
Erstbegeher: W. Böld 1904
Längster Tannheimer Kamin (370 hm / 430 klm)
1991 von Toni Freudig mit geklebten Gerüstösen ausgestattet
Eine klassische und lange Tour, besonders als Überschreitung zu empfehlen)

Material:
Kletterführer (Freudig-Topo Klettern im Herzen der Tannheimer / AVF Tannheimer Berge von Marcus Lutz),
allerdings nicht ganz so wichtig. Man findet den Kamin auch so
bzw. ist im Panico Allgäu Führer inkl. Tannheimer ab 1. Auflage 2020 im Wandbild der Böldkamin auch eingezeichnet.

Karte: Alpenvereinskarte BY 5 oder Bayerisches Landesvermessungsamt UK50-48
Kletterschuhe bequem + Zustiegsschuhe
Normale Kletterausrüstung
Bei unserer Taktik 9 Seillängen simultan Klettern:
4x 60er / 120er Bandschlinge
1x 180er Bandschlinge
5 Tiblocs mit Ovalkarabiner
60 Meter Einfachseil (da Abseilen nicht wirklich gut wäre)
20 Express-Schlingen (viele lange bzw. mit integrierter Rolle im Karabiner für weniger Seilreibung angenehm)
Cams und Keile haben wir nicht gesetzt und gibt es nicht viele Möglichkeiten

Zustieg/Taktik:
Parken in Reutte Ortsteil Wängle neben der Kirche, Abmarsch 5:30 Uhr Richtung Kostarieskapelle 

   

und Weiterweg zur Schallerkapelle und Hahlealp 

   

am Rücken weiter zum Hahlejoch 

   

   

und weglos entlang zur Nordostwand. Wir mussten aufgrund der vielen Niederschläge im Vorfeld den Weg verlassen und konnten mit ein wenig hin und her eine Linie durch die Latschen finden ohne im Sumpf zu ersaufen. Der Einstieg war dann mit etwas abklettern nach kanpp 3 Stunden gefunden und die Temperatur im morgendlichen Zustieg war angenehm. 

   

Nach der ersten Seillänge wurde doch von Zustiegsschuhen auf Kletterschuhe gewechselt, da das glatte und insgesamt feste Gestein in den steileren Stücken nicht den perfekten Grip aufwies. 

   

   

Dann in der dritten Seillänge wieder auf Zustiegsschuhe gewechselt 

   

   

und in der 8 Seillänge wieder auf Kletterschuhe ;-)

   

Ursprünglich hatten wir noch überlegt, ob wir die Kletterschuhe für eine 3er Tour überhaupt mitnehmen sollen, was im nachhinein durchaus angenehm war. Wir sind den gesamten Kamin mit 9 langen Seillängen in 3 Stunden am langen Seil geklettert und hatten dafür insgesamt 5 Tiblocs und entsprechend viele Bandschlingen dabei. Die Nachsteiger waren in einer 3-er Weiche nach 50, 55 und 60 Meter am Einfachseil eingebunden.

   

Zum Anspruch der Tour:
Die Nachsteiger sind durch die Gerüstösen gut gesichert. Auch der Steinschlag hält sich trotz dem Schutt im Kamin in Grenzen. Der Vorsteiger hat in den 9 Seillängen ca. 6 NH als Zwischensicherung, davon 3 in der letzten Seillänge. Zusätzlich gab es noch die Möglichkeit für einige Köpfl, ganz wenige Sanduhren und einen verklemmten Stein im Riß als Sanduhr. Keile und Cams könnten nur sporadisch eingesetzt werden. Also der Vorsteiger sollte definitiv sicher in dem Gelände Klettern, da ein Sturz an einigen Stellen fatale Folgen hätte.

Zum Routenverlauf und den Standplätzen:
Man findet die Stände nur, wenn man konsequent im Kamin klettert, also tendenziell immer wenn sich der Kamin weitet den linken oft steileren und schwereren Ast verfolgen. Auf der rechten Seite gibt es viele Umgehungsmöglichkeiten in leichtem Kraxelgelände und der Kamin wird auch mehr zur Rinne, was oft der logischere Weg des geringsten Widerstandes wäre. Am Ende der letzten Seillänge haben wir den großen Zacken mit 120er Schlinge nur als Zwischensicherung genutzt, da er nicht 100% fest schien. Wo sich der Kamin zur Rinne weitet kommt an deren Ende ein markanter, spitzer Felszacken mit perfekter Standmöglichkeit für eine 180er Köpflschlinge. 

   

Der Weiterweg ist am besten Seilfrei zu begehen und nicht mehr schwer.

   

   

   

Zur Schwierigkeit:
Die Tour ist mit dem 3. Schwierigkeitsgrad angegeben (Freudigtopo mit UIAA III+ / AVF Tannheimer Berge von Marcus Lutz mit UIAA III). Wer nicht regelmäßig Kamine und klassische Kletterreien in den Bergen unternimmt wird hier feststellen, dass eine Schwarzmanntour im 6. Grad psychisch einfacher als ein Kamin im 3. Grad ist. Man muss es auch in der Relation zur Zeit sehen. Um 1900 wurde einfach in Rissen und Kaminen geklettert, da die Sicherungsmöglichkeiten sehr begrenzt waren. Stemmen und Klemmen
war da die sicherste und geübteste Fortbewegungsart und entsprechend waren diese Techniken auch besser geübt. Der moderne Boulderer und Kletterer wird in den verschiedenen Klemmtechniken etwas aus der Komfortzone herausmüssen. Der Mittelteil ist die meiste Zeit relativ einfach, hat aber immer wieder richtige Engstellen und kurze Aufschwünge. Bis auf wenige Bereiche ist das Gestein recht fest. Moosige und feuchtelige Stellen gibt es nur wenige. Diese befinden sich dann tief im Kamin an ausgeprägten Engstellen. Wir sind alles mit dem Rucksack am Rücken geklettert, aber der Sack hat schon an einigen Stellen genervt ;-)
Die Meinung über den vergebenen Schwierigkeitsgrad ging entsprechend etwas auseinander.

Abstieg:

   

Wir sind vom Gipfel südseitig über die Gehrenalpe abgestiegen und weiter nach Wängle zu unserem Parkplatz, da wir die Tour als Überschreitung geplant hatten. Das sind nochmal ca. 2 Stunden Abstiegszeit in der prallen Sonne gewesen, die waren bei der Hitze nicht wirklich dankbar. Die Gehrenalpe haben wir dann als Zwischenstopp genutzt und jeder zwei Radler gezischt. Es ist ja die bärigste Hütte in Tirol, da kam auch Problembär Bruno vor seinem Tod noch vorbei. Im Abstieg haben wir dann noch ein Krokodil gesehen und es war trotz der Hitze keine Phantasterei ;-)

   

Strecke laut Garmin Uhr:
ca. 1400 hm hoch und runter, ca. 18 km Wegstrecke und 9 Seillängen klettern im 3. Grad und für manche gefühlt auch etwas schwerer. Auf jeden Fall gesamtheitlich echt empfehlenswert, für die, die genau so etwas suchen. Wir haben danach die Wegstrecke auf der Karte analysiert und hätten demnach im Zustieg einige direktere Wegstrecken wählen können und somit die Zustiegszeit und Wegstrecke etwas verkürzen können.

Wer es ganz genau wissen möchte / Ergänzung zum Freudig-Topo:
Der NH zum beginn der 1. Seillänge wurde nicht gefunden. In der 3. Seillänge war auch ein NH ca. Mitte der Seillänge auf der linken Wandseite. In der 8. Seillänge wenn man im Kaminschlund stemmend und schlängelnd auf dem Weg nach oben ist, kommt der 1. NH auf der linken Wandseite und 2 Meter höher auf der rechten Wandseite der zweite. Dann geht es wieder tiefer in den Schlund querend an einem 3. NH vorbei, also einer mehr als im Topo eingezeichnet. Am Ende der Seillänge konnte ich keine Gerüstöse mehr finden, allerdings ist in der Rinne ein großer, leicht wackeliger Block und weitere 30 Meter danach folgt der großen Felszacken. Somit sind die Stände auch so passend. Meine Nachsteiger meinten zudem, dass ich noch weitere 2-3 NH übersehen hätte, was bei meiner altersbedingt nachlassenden Sehkraft auch nicht weiter wundert.

Viele Grüße,
Timo und Anita
Silke und Christian

   
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